Die Menschheit sieht sich als frei und grenzenlos. Das Potenzial eines jeden Einzelnen ist unendlich. Frei nach dem Motto: „Alles ist möglich“ greifen wir nach den Sternen. Wir träumen von Freiheit und der Macht, der Natur unseren Willen aufzuzwingen.


Der Mensch, welcher selbst am Ende der Nahrungskette steht, beutet die Natur aus wie ein Junge das Bonbonglas in der Arztpraxis. Bei jeder Gelegenheit nimmt er sich ein Bonbon. Er wickelt es aus dem Papier, steckt es in seinen Mund und genießt den süßlichen Geschmack der Zuckermasse. Bei jedem Besuch wiederholt er sein Verhalten. Er sieht, wie sie aus dem Glas, eins nach dem anderen, verschwinden. Dennoch ist das Glas für ihn unendlich! Während seiner Abwesenheit wird das Glas, durch eine unbekannte Person, nachgefüllt.

Genauso agiert die Gesellschaft mit der Natur. Sie nimmt sich immer ein kleines Stück, missbraucht es für egoistische Zwecke und sieht, wie die Natur auf magische Weise es schafft, das Glas wieder aufzufüllen. Solange das Kollektiv keine drastischen Sanktionen zu erwarten hat, wird sich sein Verhalten auch nicht ändern. Diese Sanktionen sind jedoch nicht nur Hausarrest, sondern können die ganze Spezies bedrohen. Wir schaffen unseren eigenen Müll aus den Augen, indem wir ihn vergraben. Wir lechzen nach fossilen Ressourcen, wie ein Raucher, der seine Sucht noch nicht befriedigen konnte. An die Gesundheit oder das Überleben nachfolgenden Generationen wird nicht gedacht. In den Momenten, in denen die Gesellschaft erste Sorgen äußert, wird kurzerhand eine politische Kampagne aufgestellt, um die Gesellschaft wieder zu beunruhigen.

Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Handlung des Individuums das Kollektivergebnis nicht beeinflusst. Viele stellen sich vielleicht die Frage, ob ihre Taten und Handlungen überhaupt etwas bewirken. Da das Feedback von vollzogenen Handlungen meist marginal ist, nehmen viele Menschen ihre globale Bedeutung gar nicht richtig war. Viele Prozesse sind geprägt von der Intelligenz des Schwarms. Die Weisheit einer Entscheidung, die durch eine Gruppe getroffen wird, lässt sich von außen objektiv betrachten und beurteilen, doch ist dies nicht für das Individuum innerhalb der Gruppe möglich.
Diese scheinbare Ergebnislosigkeit von Handlungen führt zu einer holistischen Auffassung der Welt und ihrer Abläufe, die für unsere Gesellschaft nicht gut ist. Viele Menschen erkennen die Möglichkeiten nicht mehr, die sie sich eröffnen würden, wenn sie sich, mit ihren eigenen Handlungen, als maßgebenden Teil des Ganzen betrachten. Anstelle dessen gehen sie morgens aus dem Haus, stecken sich Kopfhörer in die Ohren und werden zu Geistererscheinungen der Realität. Sie begeben sich in ihre eigene Welt, in der sie sowohl das Individuum als auch das Kollektiv darstellen. In dieser Welt können sie natürlich etwas bewirken! Keine weitere Person hat Zutritt in dieses persönliche Universum. Aus diesem heraus wird die externe Realität meistens ignoriert. Solange es einem selber gut geht, oder das Bonbonglas noch voll ist, muss ich mich selber nicht beunruhigen oder gar um die Belange anderer kümmern.

Diejenigen, die ausbrechen aus ihrem eigenen Universum, erwartet eine unangenehme Realität. Die heile, bunte Welt hat Risse bekommen und gleicht dem Pflaster eines alten Marktplatzes. Versprochen wurde eine heile, makellose Umwelt. Doch anstelle dieser findet man einen Platz voller Risse und Furchen. Wenn die Frage gestellt wird, wer dafür verantwortlich ist, meldet sich keiner. Jeder sucht die Verantwortung beim Nächsten. Doch auch der Nächste sagt, dass er es nicht gewesen wäre. Kein Individuum ist sich der eigenen Schuld bewusst und will es auch nicht gewesen sein. Leider befinden sich die meisten Taten der Gesellschaft auf dieser Möbiusschleife. Man dreht sich im Kreis und kommt dennoch nicht zum Ziel.

Wer soll nun den erkannten Schaden beheben? Wer zahlt? Wer ist verantwortlich?

Diese Fragen sind ein Rettungsanker, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Ist es wirklich so schwer, eine Lösung zu finden für eine Situation, die man selber nicht erzeugt hat? Der Mensch sieht sich selbst als intelligentes Lebewesen. Doch was nützt ihm diese Intelligenz, wenn er nicht in der Lage ist, über seinen eigenen Schatten zu springen? Die wenigen, die es schaffen, aus Eigeninitiative zu handeln, werden auf dem schnellsten Wege von der Gesellschaft entsorgt. Sie werden als Außenseiter angesehen und alles nur Erdenkliche wird unternommen, um ihre Taten zu verhindern.

Eine dieser Außenseitergruppen sind Menschen mit einer, wie auch immer ausgeprägten, Behinderung. In unserer heutigen Zeit ist vielfach die Rede von Integration beziehungsweise Inklusion. Die Begriffe sind für viele Entscheidungsträger ein Garant für soziale Akzeptanz. Dies dient als Opium für das Volk, welches glaubt, dass alles in Ordnung sei. Wie komplementär sich die Realität in Wirklichkeit zeichnet, wird einem jedoch leider erst in dem Moment bewusst, wenn einen das Schicksal selbst in die Rolle von einer dieser Randgruppen bringt.
Sie betreten die Welt und werden begrüßt von einer endlosen Zahl von Barrieren. Einige dieser Hindernisse sind physischer und andere wiederum psychologischer Natur. In einer gewissen Weise hat sich die Natur mit all ihrer Macht gegen das kleine Leben dieses Erdenbürgers gestellt. Schon Kanten von der Höhe einer Handfläche können zu einer Manifestation der chinesischen Mauer werden.
Der hochintelligente, lebende Organismus hat nun zwei Alternativen. In der einen Hand liegt die Möglichkeit zu resignieren, in der anderen Hand existiert wiederum die Chance, den Kampfgeist eines Tigers zu entwickeln und mit dieser Stärke die Welt zu durchschreiten.

Ich bin Rollstuhlfahrer und habe mich für letztere Alternative entschieden, dabei sehe ich des Öfteren die graue Realität, in der einiges nicht zu funktionieren scheint. Reise ich beispielsweise mit der Deutschen Bahn, so muss ich an dem Bahnhof, an dem ich aussteigen will, den Zugverkehr aufhalten, um an der gewünschten Haltestelle auszusteigen. Ich benötige eine Rampe, um den Zug zu verlassen. Genau diese Rampe steht einen Meter von mir entfernt, doch die Zugbegleitung darf diese Rampe nicht bedienen, weil sie außerhalb des Zuges nicht versichert sei. Das wiederum versicherte Personal sitzt, während ich dieses Gespräch führe, in seinem Aufenthaltsraum auf dem Bahnhof und macht die obligatorische Kaffeepause. Durch den Lautsprecher bittet mich der Zugführer, den Türbereich freizugeben, damit der Zug weiterfahren kann. Die Zugbegleitung versucht zu erklären, dass ich erst an der nächsten Station aussteigen könne, weil die Kaffeepause des Personals an meiner Station noch nicht beendet ist. Doch da ich als Fahrgast gewillt war, an meinem Zielbahnhof auszusteigen, musste der Zug mit fünf Minuten Verspätung seine Reise fortsetzen.
Das Problem der Zuständigkeit stellt sich jedoch nicht nur bei der Deutschen Bahn, sondern auch in anderen Bereichen. Oft scheitert es nicht an der Möglichkeit etwas umzusetzen. Der Wille zu Helfen wird viel mehr begrenzt durch soziale Blockaden. Diese Blockaden sind in den meisten Fällen das Produkt von überinterpretierten Richtlinien. Hierbei stellt man sich die Frage, ob es auch Lösungen gibt, die demjenigen, der helfen möchte, mehr Möglichkeiten bereitstellen?

Das moderne Verkehrssystem der Berliner Verkehrsbetriebe hält so manche Überraschung bereit. Selbst wenn es eine Karte gibt, auf der jeder Fahrstuhl eingezeichnet ist, und man mir beteuert, sich zu bemühen, weitere Barrieren abzubauen, so hilft auch all dies nicht, wenn Fahrstühle nicht funktionieren oder in einer endlosen Odyssee gewartet werden. Ich habe mehr Chancen im Lotto zu gewinnen, als eine Woche lang vor keinem Problemen der Berliner Verkehrsbetriebe zu stehen.