Trauer ist eine Emotion und ein komplexer Prozess, den alle Menschen durchlaufen, wenn sie eine geliebte Person verlieren. Auch Tiere trauern um verstorbene Artgenossen. Ein Verlust muss dabei nicht gleich den Tod eines Menschen bedeuten – auch bei Trennung unseres Partners trauern wir. Trauer ist wichtig, um den schmerzenden Verlust zu verarbeiten.


Obwohl wir alle die Phasen des Trauerns durchlaufen, läuft dieser Prozess bei jedem Menschen anders ab. Bei einigen dauert die Trauer mehrere Jahre, bei anderen wenige Monate. Manche verbleiben länger in der ersten Phase des Trauerns, andere überspringen diese und befinden sich gleich in Phase drei, machen jedoch später einen Schritt zurück. Auch die Art, wie wir mit dem Verlust eines Menschen zurechtkommen, ist bei jedem anders. Da gibt es Menschen, die sich in Arbeit stürzen, um möglichst nicht über ihren Verlust nachzudenken zu müssen – und wieder andere, die bewusst an den Verstorbenen denken und innerlich Gespräche mit ihm führen.


Elisabeth Kübler-Ross gilt als Begründerin der Sterbe- und Trauerforschung. Sie hat durch zahlreiche Gespräche mit sterbenskranken Patienten die fünf Phasen des Sterbens herausgearbeitet, die bei jedem Menschen auftreten und dabei doch sehr individuell sind. Das 5-Phasen-Modell des Sterbens von Elisabeth Kübler-Ross entstand im Jahre 1969, bereits ein Jahr später stellten John Bowlby und Collin Murray Parkes ein ähnliches Modell in vier Phasen vor. Dieses Modell wurde in den 80er-Jahren von Verena Kast wieder aufgegriffen und in Anlehnung an Kübler-Ross’ Modell zu den vier Phasen der Trauer verarbeitet, auf welches ich mich im Folgenden beziehe.


Erste Phase – Verleugnung und Isolierung

In der ersten Phase wird der Verlust verleugnet, man will einfach nicht wahrhaben, dass ein geliebter Mensch gestorben ist und denkt, alles sei nur ein böser Traum. Die Trauerphase kann mit einer Empfindungslosigkeit einhergehen, bei der der Trauernde denkt, er müsse doch etwas fühlen oder wenigstens weinen, doch nichts davon passiert. Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass der Trauernde zusammenbricht, viel schwitzt, sich erbricht und sehr unruhig ist. Manche Menschen ziehen sich erst einmal von allem zurück und möchten in dieser Phase der Trauer niemanden sehen.

Normalerweise dauert diese Phase nicht sehr lange (ein paar Tage bis zu ein paar Wochen), doch je unerwarteter der Tod eintrifft, desto länger kann die erste Phase andauern.


Zweite Phase – Aufbrechende Emotionen

Die zweite Phase ist eine sehr schwierige, da viele Emotionen in wildem Durcheinander erlebt werden; Traurigkeit wechselt sich ab mit Freude, Wut, Leid, Angst und Ruhelosigkeit. Die Wut kann sich hierbei auf alles Mögliche richten. Es kann ebenfalls sein, dass man Schuldige sucht, beispielsweise Ärzte, die nach Ansicht des Trauernden mehr hätten tun können. Schuld wird oft auch bei sich selbst gesucht, insbesondere, wenn der Tod plötzlich eingetreten ist und man offene Probleme nicht mehr miteinander besprechen konnte. Manche Menschen neigen zu Schuldgefühlen, weil sie darüber nachdenken, was sie in der Beziehung besser hätten machen können oder wünschen sich, sie wären öfter besser mit der Person umgegangen. Dies hängt davon ab, wie eng die Beziehung zwischen dem Verstorbenen und dem Hinterbliebenen war.

Zu starke Schuldgefühle können dazu führen, dass man sehr lange in dieser Phase verharrt oder versucht, die Trauer zu verdrängen. Daher ist es wichtig, auch Emotionen wie Wut zuzulassen und zu erleben, um die nächste Trauerphase zu erreichen.


Dritte Phase – Suchen, finden, sich trennen

In dieser Phase sucht man den Verstorbenen entweder bewusst oder unbewusst an Orten, an denen man mit ihm gemeinsame Erlebnisse hatte. Auch in Träumen und Fantasien erinnert man sich an gemeinsame Erfahrungen mit dem Verstorbenen, es kann sogar vorkommen, dass man einige Gewohnheiten übernimmt. Vor allem an den Orten wird der Trauernde damit konfrontiert, dass die Wirklichkeit nun eine andere ist und der Tod akzeptiert werden muss. Bei vielen Menschen wird der Verlorene zu einer Art innerem Begleiter, sodass ein innerlicher Dialog mit dem Verstorbenen entsteht. Im Dialog mit diesem können nun ungelöste Probleme aufgearbeitet werden und man kann ihn weiter an seinen neuen Erfahrungen teilhaben lassen.

Es kann aber auch passieren, dass man den Verlust weiterhin nicht wirklich akzeptiert, sodass sich der Trauernde den Lebenden entfremdet, indem sich nichts verändern darf und alles so bleiben muss, als wäre der Verstorbene noch am Leben. Dies ist besonders der Fall, wenn einem der Verstorbene sehr nahe stand (zum Beispiel der Partner) und man in der Trauer verweilen will. Die dritte Trauerphase kann Monate und unter Umständen sogar mehrere Jahre andauern.


Vierte Phase – Neuer Selbst- und Weltbezug

In der letzten Phase wird der Verlust langsam akzeptiert. Erste Gefühle der Ruhe und Freude werden wieder empfunden. Ein Sinn im Leben wird zum ersten Mal wieder erkennbar, man ist bereit für neue Beziehungen, neue Verhaltensmöglichkeiten und Lebensstile. Hat man alle Phasen gut durchlaufen, kann man sich auch deshalb wieder auf neue Bindungen einlassen, weil man gelernt hat, dass Verluste zwar schwer zu ertragen sind, aber ebenso neue Möglichkeiten und Erfahrungen mit sich bringen. Der Tod wird eher als ein Teil des Lebens gesehen.