Ich kann mich noch ziemlich gut erinnern wie ich vor einigen Monaten an einem verregneten Samstag aus Langeweile stundenlang mit einem Freund chattete und ihn fragte ober er einen Text für diesen Blog schreiben will.


Der Weblog war noch relativ neu und es waren zu dem Zeitpunkt hauptsächlich Fotos, Videos und anderes belangloses Zeug drauf, und da ich wusste das er vor Jahren hin und wieder Kurzgeschichten schrieb, wollte ich ihm eine Platform bieten auf der er ab und zu etwas veröffentlichen kann, und insgeheim erhoffte ich mir auch das er etwas cooles verfasst das ich posten kann, das den Lesern meiner Seite ein wenig Abwechslung bietet. An die Worte die ich zu ihm sagte kann ich mich noch ziemlich gut erinnern: "Hey ******, schreib mal bitte was für meinen Blog! Muss nichts besonderes sein, reihe einfach ein paar Worte aneinander, muss nichmal nen Sinn ergeben." Vielleicht kann ich mich jetzt auch nur so gut daran erinnern weil er dann genau diesen Satz so ähnlich in seine Geschichte eingebaut hat. Hmm, keine Ahnung. Nur kurze Zeit später schickte er mir eine Datei, und was ich da las war mit Sicherheit keine sinnlose Aneinanderreihung von Wörtern, es war ein tiefsinniger Text in dem er über sich schrieb, über sein Leben, seine Vergangeheit, seine Gedanken, wie sein Drogenkonsum mit der Zeit immer mehr ausser Kontrolle geraten ist und "fast jede Entscheidung die er in den letzten Jahren getroffen hat beeinflusst hat". Darüber das er sein Leben ändern will weil es so nicht mehr weitergehen kann. Die Worte strotzten vor Energie und irgendwie war ich sicher das er es ernst meint und es diesmal tatsächlich schafft aufzuhören. Er schaffte es mal wieder nicht.

In den darauffolgenden Monaten sahen wir uns seltener, sein Konsum wurde immer extremer und ich hatte Angst das er mich mit runter zieht zieht, außerdem war ich öfters übers Wochenende verreist und auch er war im Urlaub ins Ausland gefahren. Das letze mal das ich ihn sah war im August auf irgendeiner Party. Erneut erzählte er mir das er seit 3 Wochen clean ist und es diesmal durchzieht, wir tranken Bier und unterhielten uns. Alles war wie immer. Danach schrieben wir noch ein paar mal miteinander, das letzte Mal an einem Septemberabend bevor ich nach Berlin fuhr. Wir redeten Blödsinn. Alles war wie immer. An dem Tag an dem ich zurückkam erhielt ich die Nachricht das man ihn tot in seinem Zimmer fand. Höchstwarscheinlich verursacht durch eine Drogen- oder Medikamententenüberdosis. Ich war wie paralysiert. Das erste woran ich dachte war natürlich der Text den er geschrieben hatte und las ihn mir ungefähr 20 mal hintereinander durch, und irgendwie las er sich plötzlich ganz anders als zuvor. Die Worte klangen nicht mehr stark sondern schwach, das alles kam mir vor wie ein Hilferuf den keiner gehört hat.

Vielleicht fragt ihr euch jetzt warum ich das alles hier schreibe, und ich muss zugeben, so etwas persönliches ist normalerweise definitiv nicht mein Stil. Aber ich tue es diesmal aus folgendem Grund: Um Menschen darauf aufmerksam zu machen dass nicht jeder stark genug ist um solch ein Problem wie Sucht in den Griff zu bekommen. Vielleicht wäre es niemals soweit gekommen wenn jemand von uns etwas bzw. mehr unternommen hätte. Sicher haben wir ihn oft genung darauf angesprochen und gesagt dass es so nicht mehr weitergehen kann, aber vielleicht war das einfach nicht genug. Ehrlich gesagt hätte ich auch nie gedacht dass es so weit kommen würde, habe immer gedacht dass er noch die Kurve kriegt. Es war eine harte Lektion, aber ich habe für mich etwas gelernt was ich mit euch teilen möchte:
Sobald man merkt dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis irgendeiner, egal welcher, Abhängigkeit zum Opfer fällt und das Ganze zunehmend außer Kontrolle gerät, ist es wichtig für die Person da zu sein. Auch wenn man mehrmals enttäuscht wird, darf man sich nicht abwenden oder aufhören Demjenigen zu helfen, denn irgendwann könnte es zu spät sein.


Diese drei Einträge eines Blogs wurden uns für unsere Ausgabe zum Thema Tod zur Verfügung gestellt. Der Autor, bzw. die beiden Autoren möchten anonym bleiben.
Die drei Einträge wurden in zeitlichen Abständen veröffentlicht.
Wir haben diese Einträge weder formal noch inhaltlich verändert, da dies dem Sinn, der hinter ihnen steht, zuwiderlaufen würde


Teil 1 – Teil 2