Immer mehr alte Menschen werden in Senioren- oder Pflegeheimen untergebracht. Die Pflege Älterer wird somit zunehmend aus dem Familienleben „outgesourct“. Ist die Entscheidung, seine Eltern nicht selbst pflegen zu wollen eine Frage von Egoismus oder eine ökonomische Notwendigkeit? Oder entscheiden sich die Senioren gar selbst für diesen Weg?


Noch im 20. Jahrhundert waren die klassische Großfamilie mit Eltern, Kindern und Großeltern oder sogenannte Mehrgenerationen-Häuser, in denen sich jeder um jeden kümmerte, weiter verbreitet als heute. Aber auch in vorigen Jahrhunderten war die Großfamilie nicht sehr häufig zu finden, es war durchaus üblich, dass Paare eine eigene Wohngemeinschaft gründeten. Mit der Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert wanderten immer mehr Menschen in die Städte aus, um Arbeit zu finden, die Wohnungen waren viel kleiner als auf dem Land und für große Familien nicht mehr geeignet. Das von Kirche und Politik propagierte Idealbild einer Familie bestand aus nicht mehr als drei Kindern, auch neue Verhütungsmethoden und die Emanzipation der Frau trugen dazu bei, dass die Familien durchschnittlich kleiner wurden. Heute gibt es in Industrienationen nur noch sehr wenige Familien mit mehr als drei Kindern, denn Großfamilien werden häufig kritisch beäugt oder als „asozial“ abgestempelt.

In den 50er Jahren gab es noch relativ wenige Seniorenheime, doch nach dem Krieg und dem wirtschaftlichen Aufschwung wurden mehr Plätze gebraucht, als zur Verfügung standen, da sich nur wenige um alte und im Krieg verletzte Menschen kümmern wollten. Auch Pflegekräfte gab es kaum. Es wurden vornehmlich Frauen für die Pflege alter Menschen gesucht, da es der traditionellen Vorstellung dieser Zeit entsprach, dass Frauen sich aufgrund ihrer naturgegebenen weiblichen Eigenschaften besonders für die Pflege alter Menschen eignen würden. 1969 entstand das Berufsbild des „Altenpflegers“ und wurde durch eine Ausbildung sowie eine einheitliche Prüfungsordnung geregelt.

Die Zahl an Seniorenheimen und Tagespflegediensten wächst seitdem von Jahr zu Jahr, genauso wie die Zahl pflegebedürftiger Menschen in einer alternden Gesellschaft. 1999 gab es in Deutschland noch 8.859 Pflegeangebote, 2011 bereits 12.354. Darunter fallen verschiedene Angebote, aber vor allem die Dauer- und Tagespflegeangebote (Dauerpflege: von 6.374 auf 8.477; Tagespflege: von 441 auf 1.368) haben enorm zugenommen. Abgenommen haben dagegen die Kurzzeitpflegeangebote.

Heute fühlen sich alte Menschen oft nutzlos oder sie empfinden sich als Last für ihre Angehörigen, sobald sie pflegebedürftig werden. Kaum jemand möchte sich im Alter jahrelang um seine Eltern kümmern, oder sie sogar wieder zuhause aufnehmen – und manche Senioren wollen dies ihren Kindern auch gar nicht zumuten. Ein Grund dürfte aber auch sein, dass in vielen Familien beide Partner arbeiten, damit das Geld reicht, oder für sie die Arbeit eine wichtige Erfüllung darstellt. Eine Vollzeitpflege ist für die meisten Menschen physisch und psychisch gar nicht zu leisten. Oft sind die Häuser oder Wohnungen aber auch gar nicht mehr dazu ausgelegt, dass besonders viele Menschen dort wohnen. Außerdem stellt sich die Frage, was man tun soll, wenn die Eltern beider Partner pflegebedürftig werden? Wer kann schon vier Senioren aufnehmen und pflegen? Die Entscheidung ist schwer, viele machen sich Schuldgefühle, haben ein schlechtes Gewissen oder Angst vor Vorwürfen anderer.

Eine Alternative zu Pflegeheimen stellt das sogenannte „Betreute Wohnen“ dar. Hier können Senioren weiterhin selbstständig in einer eigenen Wohnung leben, haben aber Ansprechpartner und gewisse Sicherheiten, falls sie doch Hilfe brauchen. Die Senioren können dann ihr Leben weiterhin selbst bestimmen und die Familie kann sicher sein, dass im Notfall jemand da ist. Auch ein Tagespflegedienst, der die Senioren in ihrem Zuhause besucht, ist eine mögliche Lösung.

Insgesamt ist es eine schwierige Situation wenn man merkt, dass die Eltern langsam älter werden und auf zunehmende Hilfe angewiesen sind. Das wichtigste ist, das Gespräch mit den Eltern zu suchen und die Möglichkeiten zu besprechen, denn zusammen lässt sich eine für beide Parteien akzeptierte Lösung finden. Von niemandem kann erwartet werden, dass er sein Leben komplett umstellt, um fortan nur noch seine Eltern zu betreuen. Im Schnitt werden die Menschen immer älter und brauchen in höherem Alter mehr Betreuung. Daher würde ich nicht sagen, dass immer mehr Seniorenheime entstehen, weil immer mehr Senioren dorthin abgeschoben werden und sich keiner mehr um alte Menschen kümmern will, sondern sie entstehen, da es einfach mehr ältere Menschen gibt. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten der Pflege und Betreuung und jede Entscheidung, ob es nun die ist, die Eltern zuhause selbst zu pflegen, eine Tagespflege kommen zu lassen oder die Eltern in einem Seniorenheim unterzubringen, sollte respektiert werden. Auch für die Angehörigen ist eine solche Entscheidung nicht leicht, und daher sind Abschiebe-Vorwürfe unangebracht.

Quellen:
www.pflegewiki.de
www.gbe-bund.de

Artikelbild: Warming the bones, von Pedro Ribeiro Simões, lizensiert unter CC BY 2.0, Ausschnitt aus dem Original.