Die Chatsprache ist eine mündliche Form der Kommunikation, sie ist „konzeptionell mündlich und medial schriftlich“. Die Kommunikation findet quasi-synchron statt. Die Kommunizierenden sind alle zur selben Zeit miteinander online verbunden, der Schreiber kann aber während des Schreibvorgangs sein Geschriebenes korrigieren, verändern oder ganz löschen. All dies können die Leser nicht sehen. Wenn viele Leute miteinander chatten, ändern sich die Themen schnell, Anknüpfungspunkte müssen durch thematische Wiederaufnahme oder Nennung des Namens (@Jana) kenntlich gemacht werden.


Die Bezugnahme auf vorangegangene Themen ist möglich, da der Chat gespeichert wird und die ganze Zeit für die Chatteilnehmer nachlesbar ist. Schnelle Themensprünge erfordern eine hohe Aufmerksamkeit der Teilnehmer.
Kennzeichen der Chatsprache sind vor allem die Ökonomisierung der Sprache: Rechtschreib- und Grammatikfehler sind akzeptiert und werden nur korrigiert, falls Missverständnisse entstehen. Durch die meist konsequente Kleinschreibung ist es möglich, schneller zu schreiben. Gleichzeitig passieren durch das schnelle Schreiben häufiger Tippfehler, die ebenfalls nur korrigiert werden, wenn der Satz zu missverständlich wird. Außerdem werden Jugendsprache und Vereinfachungen verwendet, sodass beispielsweise aus dem Wort „funktionieren“ schlicht „funzen“ wird, oder aus „telefonieren“ „telen“.
Ein weiteres Kennzeichen der Chatsprache ist, dass durch den Befehl /me, der in den eigenen Namen umgewandelt wird, die Beschreibungen eigener Handlungen möglich wird. Dabei wird der Satz „/me geht mal Kaffee kochen“ zu „Anna geht mal Kaffee kochen“. Dieser Befehl ist jedoch nicht in allen Chats verwendbar.

Emoticons, Kaomoji und Gefühle

Um Rat- und Sprachlosigkeit auszudrücken, werden einfach nur Satzzeichen verwendet, wie zum Beispiel …, um Sprachlosigkeit anzudeuten, oder ??? für Verwirrung. Um Gefühle auszudrücken bedient sich der Chatter sogenannten Emoticons. Das Wort setzt sich zusammen aus den beiden Wörtern „emotion“ und „icon“. Mit Emoticons können Gefühle und Stimmungslagen einfach, kurz und universell verständlich ausgedrückt werden, denn der Nachteil beim Chatten ist, dass keine nonverbale Kommunikation zwischen den Chattern stattfinden kann und Hinweise durch Gestik und Mimik fehlen. In Japan haben sich eigene Emoticons entwickelt, die Kaomoji genannt werden („Gesichtszeichen“).

Beispiel für Emoticons

:-) ;-) :-P 8-) XD :-O

Beispiel für Kaomoji

^_^ -__- T__T >_< O_o m(._.)m

Der Inflektiv

Eine weitere Besonderheit der Chatsprache ist der sogenannte Inflektiv, der ebenso wie Emoticons zur Unterstützung von Gefühlen verwendet wird oder Handlungen beschreiben kann. Sternchen markieren den Inflektiv, sodass er sich gut erkennbar vom Geschriebenen absetzt. Als Beispiel dient folgender Satz:

hab 9 punkte in deutsch!!

Um deutlich zu machen, ob dieses Ergebnis für den Schreibenden nun positiv oder negativ ist, kann er zur Verdeutlichung seiner Gefühlslage einen Inflektiv verwenden. Der Satz wirkt dann entweder positiv:

hab 9 punkte in deutsch!! *freu*

oder negativ:

hab 9 punkte in deutsch!! *heul*

Akronyme

Da es beim Chatten um die möglichst schnelle Kommunikation geht, die sich dem mündlichen Gespräch annähert, werden auch Akronyme verwendet. Diese reduzieren häufig gebrauchte Sätze und Wendungen auf ihre Anfangsbuchstaben und werden normalerweise nur in Chats oder Foren verwendet. Sehr bekannt sind zum Beispiel rofl, lol oder imho, aber es gibt noch unzählige weitere Akronyme.

thx – Thanks
omg – oh mein Gott
afak – away from keyboard
wtf – what the fuck
lol – laughing out loud
rofl – rolling on (the) floor laughing

Leetspeak

Die letzte Besonderheit der Chatsprache ist Leetspeak. Leetspeak ist eine reine Schriftsprache, in der Buchstaben durch ähnlich aussehende Ziffern oder Sonderzeichen ersetzt werden. Leetspeak ist allerdings schwer zu lesen und war zu Beginn eine Art Geheimcode bestimmter Gruppen der Computerszene. Heute wird Leerspeak von einigen Chattern selbstironisch benutzt. Allerdings taucht Leetspeak hin und wieder in Online-Spielen auf, um zum Beispiel andere Spieler zu beeindrucken und weniger erfahrene Spieler aus der Konversation auszuschließen. Genutzt wird Leetspeak außerdem von Absendern von Spam-E-Mails, die durch Abwandlungen von „V1AGR4“ statt „Viagra“ versuchen, Spamfilter zu täuschen.

Heute habe ich leider keine Zeit für dich.

h3u73 h4b3 1ch l31d3r k31n3 z317 für d1ch.

i$H liieP diSH uEbeR AlL€S! Ich liebe dich über alles.

Chatsprache in der Zeitung

Aber wird die Chatsprache tatsächlich nur in Chats und Foren benutzt? In einigen Fällen kann es sein, dass Besonderheiten der Chatsprache auch in Büchern oder Zeitungen auftauchen. Nachfolgend ein Beispiel aus der Berliner Zeitung, bereits aus dem Jahr 1996.

Nach Jahren gerichtlicher Auseinandersetzung taucht Entlastungsmaterial natürlich erst jetzt auf - günstig für den Spannungsbogen. Daß sich Anwalt und Täterin außerdem ineinander verlieben - seufz -, braucht eigentlich kaum noch erwähnt werden.
Merten Worthmann: Tod im Windkanal, in: Berliner Zeitung, 27.06.1996, S. 41


Aus diesem Beispiel lässt sich aber keinesfalls ableiten, dass die Chatsprache die normale Schriftsprache oder die mündliche Sprache verändert. Sie versucht lediglich, sich der mündlichen Kommunikation auf schriftlicher Weise anzunähern. Im mündlichen Gespräch wäre man eher irritiert, wenn jemand das Akronym „lol“ benutzen würde, da anhand von Gestik und Mimik erkennbar ist, ob jemand etwas lustig findet oder nicht. lol wird also höchstens ironisch benutzt. Durch das Fehlen einer gegenüberstehen Person und ihrer Tonlage, Mimik und Gestik im Chat kann es jedoch während des Chatgesprächs zu Missverständnissen und Fehldeutungen kommen. Diesen Missverständnissen wird mithilfe von Inflektiven, Emoticons und anderem versucht vorzubeugen.

Kritisiert wird häufig, dass sich die Chatsprache durch die Nicht-Einhaltung der Rechtschreibregeln negativ auf die Rechtschreibstärke der Chatter auswirken könnte und der vereinfachte und kurze Satzbau wenig förderlich für einen guten schriftlichen Ausdruck sei. Es hat sich allerdings gezeigt, dass Chatter kreativ mit der Sprache umgehen und die Nutzung neuer, unterschiedlicher Schreibweisen und Stilarten sogar zu einer Verbesserung der sprachlichen Kompetenz führen kann.



Literatur:
Andy Breuhan: Facharbeit „Chatsprache“, 2006
Michael Beisswenger: Getippte »Gespräche« und ihre trägermediale Bedingtheit, 2002

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